GroKo im Fokus der Diskussion

Mitglieder des Orstvereins diskutieren das Pro und Contra Bild: SPD Schleswig
Am letzten Mittwoch, dem Valentinstag, trafen sich die Mitglieder der SPD Schleswig zur Versammlung im Deutschen Hof. Es ging natürlich um den Koalitionsvertrag, den die Bundes-SPD mit CDU und CSU verhandelt  hatte.

Und es ging um Martin Schulz, Andrea Nahles und die anderen Genossinnen und Genossen der SPD Spitze, deren Wirken in den letzten Wochen die Menschen an der Basis nicht nur nicht überzeugt, sondern geradezu ratlos gemacht hatte. Was die SPD Schleswig von der im Bund unterscheidet, ist eine angenehme Gesprächsdisziplin, für die der Vorsitzende Henrik Vogt freundlich aber konsequent sorgte, so dass alle Mitglieder reihum zu Wort kamen.

Was die SPD Schleswig von der im Bund unterscheidet, ist eine angenehme Gesprächsdisziplin, für die der Vorsitzende Henrik Vogt freundlich aber konsequent sorgte, so dass alle Mitglieder reihum zu Wort kamen.

Die verlorene Bundestagswahl 2017 wurde rekapituliert. Wie man sich erinnerte, schien aufgrund des Wahlergebnisses festzustehen, dass die SPD vom Wähler in die Opposition geschickt worden ist, und dies wurde als eindeutige Konsequenz aus der Wahlniederlage von der Partei akzeptiert. Inhaltliche, programmatische und personelle Erneuerung sollten geleistet werden.

Nahles wurde zur Fraktionsführerin der Oppositions-SPD aufgebaut. Martin Schulz sollte die innerparteiliche Erneuerung auf den Weg bringen. Soweit, so gut.

Nachdem die CDU mit dem Jamaika Versuch gescheitert war, kam die SPD in die Klemme. Denn die meisten Genossen waren nach wie vor davon überzeugt, dass die Erneuerung der Partei am besten in der Opposition gelingen werde. Doch der Bundespräsident nahm die widerstrebende Partei in die Pflicht. Martin Schulz musste bei Steinmeier antreten und den Auftrag mitnehmen, mit Merkel über eine große Koalition zu sondieren.

Ungern und begleitet von großem Widerstreben vor allem an der Basis nahmen die Spitzengenossen Sondierungsgespräche mit der Union auf. Ein Sondierungsergebnis wurde präsentiert, das besonders in drei wesentlichen Punkten sozialdemokratischer Politik, nämlich Arbeit, Bürgerversicherung und Integration, zu wünschen übrigließ.

Mit knapper Mehrheit von 56 % stimmten die Delegierten auf dem Bundesparteitag in Bonn für Koalitionsverhandlungen. Dabei wurden die Verhandlungsführer beauftragt, die drei Punkte nachzubessern.

Der Parteibasis wurde versprochen, vor der Unterschrift unter einen Koalitionsvertrag die Mitglieder darüber abstimmen zu lassen.

Also nahm man Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU auf, in denen gegen das Zähneknirschen von Seehofer & Co. doch noch viele Inhalte sozialdemokratischer Themen zusätzlich vereinbart wurden. Heraus kam der inzwischen vorliegende Koalitionsvertrag, der nach Meinung vieler Genossen gar nicht mal so schlecht aussieht.

In der Mitgliederversammlung der SPD Schleswig wurde kritisiert, dass schon vor der vorgesehenen Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag Regierungsämter unter den Genossen verteilt wurden. Vor allem kam erneut Martin Schulz mit dem Griff nach dem bisher von Sigmar Gabriel besetzten Außenministeramt bei vielen Genossen schlecht an. Schulz verzichtete in der Folge auf das Außenamt und trat als Parteivorsitzender zurück.

Bei den Schleswiger Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten war der Zorn auf die Spitzengenossen nicht zu überhören. Unverständnis herrschte wegen Martin Schulz Griff nach dem Ministerposten. Noch größeres Unverständnis gab es wegen der unprofessionellen Art, mit der seitens des Parteivorstandes die Idee propagiert wurde, Andrea Nahles, die zwar früher als stellvertretende Vorsitzende und Generalsekretärin im Vorstand war, aktuell aber kein Vorstandsmitglied ist, als kommissarische Vorsitzende zu wählen, nachdem Schulz zurückgetreten war. Hier werde das Erfordernis missachtet, dass der oder die Vorsitzende vom Parteitag zu wählen ist.

Nun steht die Partei vor der Mitgliederbefragung zu diesem Vertrag, an deren Ergebnis das Schicksal einiger Spitzengenossen und womöglich der ganzen Partei hängt.

Die Diskussion im Ortsverein darüber war lebhaft und sachlich. Sie war von vielen durchdachten Beiträgen geprägt. Überwiegend sind die Genossen der SPD Schleswig der Ansicht, dass der Bundesvorstand in diesen Wochen weit unterhalb seines Leistungsoptimums gearbeitet hatte, insbesondere bei der Postendiskussion das Organisationsstatut der Partei aus den Augen verloren hatte.

Deutlich wurde gesehen, dass verschiedene Gründe, gegen den Gang in die GroKo zu stimmen, entfallen oder in anderem Licht zu betrachten sind. Zunächst muss die anfängliche Aussage vom Wahlabend „Wir gehen in die Opposition“ vor dem Hintergrund gesehen werden, dass es schien, als wäre es nur eine Frage von Tagen, dass wir eine Jamaika-Regierung bekommen werden. Natürlich beinhaltet die Aussage auch gesammelten Frust aus den vergangenen GroKo-Jahren, die der SPD nicht gutgetan hatten. Aber die Opposition schien tatsächlich auch die einzige Option zu sein.   Das hat sich nach dem Platzen der Jamaika-Gespräche geändert.

NoGroKo galt auch dem widersprüchlichen Verhalten von Martin Schulz als Vorsitzender, der vor kurzem noch ausgeschlossen hatte, Minister unter Merkel zu werden. Nun beansprucht er das Außenamt, was Sigmar Gabriel als Wortbruch bezeichnet und was die Mehrheit der Mitglieder sehr geärgert hat. Nach dem Rückzieher von Schulz muss man aber die GroKo nicht mehr aus diesem Grund ablehnen.

NoGroKo ist auch das Unbehagen vieler darüber, dass sozialdemokratische Hauptanliegen wie die Bürgerversicherung oder die Verbesserung der Pflege im Koalitionsvertrag nicht optimal umgesetzt sind. Andere Stimmen wiesen darauf hin, dass wir immerhin nur 20,5 % der Wählerstimmen bekommen haben, was eine gewisse Bescheidenheit erzwinge.

NoGroKo ist auch Protest gegen das undisziplinierte und fehlerhafte Verhalten der SPD-Führung, die meinte, Andrea Nahles nach Schulz Rücktritt als Vorsitzender im Hauruck-Verfahren entgegen dem Statut als neu Vorsitzende inthronisieren zu sollen. Prompt kamen Gegenkandidaturen, zwei allein aus Schleswig-Holstein. Die Parteispitze kriegte so gerade eben nochmal die Kurve und bestimmte Olaf Scholz, einen der 6 stellvertretenden Vorsitzenden, zum kommissarischen Vorsitzenden.

Die haarsträubenden Fehler sind damit behoben. Fabian Parohl, der Vorsitzende der Jusos Schleswig-Flensburg, sieht das aber anders; für ihn sind das Agieren der Parteiführung abstrafwürdig und das Ergebnis nicht ausreichend sozialdemokratisch geprägt.

Genauestens wurde sodann der vorgelegte Koalitionsvertrag unter die Lupe genommen. Henrik Vogt moderierte vorzüglich vorbereitet und souverän die Präsentation des Vertrages anhand der von der Verhandlungskommission ausgearbeiteten Schwerpunkte. Diese sind im Internet unter https://www.spd.de/koalitionsverhandlung/unserehandschrift/ nachzulesen.

Tja, das ist eine Menge Stoff. Vieles ist dort vereinbart, das Sozialdemokraten schon lange fordern; andererseits konnten nicht alle Forderungen auch umgesetzt werden. Wie ausgeführt, liegen viele der eher taktischen Gründe, gegen den Vertrag zu stimmen, nicht mehr vor. Schließlich muss sich jede/r selbst ein Bild davon machen, ob sie/er der Koalitionsvereinbarung zustimmt oder nicht. Ob es angemessen ist, nach einem Wahlergebnis von 20,5 % noch mehr zu erwarten, als hier erreicht worden ist, muss jede/r für sich entscheiden. Immerhin schaut das Wahlvolk gespannt auf die Mitglieder der SPD, die als eine von mehreren Parteien jetzt über das Zustandekommen der neuen GroKo entscheiden.